Mittwoch, 20. Februar 2008
Kleine Momente
Die große Stadt ist allgemein bekannt als Hochburg der Unfreundlichkeit. Ich bin kein unfreundlicher Mensch, aber inzwischen großartig assimiliert: Ich habe mir das Entschuldigen abgewöhnt. Manchmal quäle ich mir ein "..nke" ab. Jahrelang habe ich meine Rempel- und Schubsqualitäten perfektioniert. Ich bin ziemlich gut im Nahkampf an der Garderobe. Gerade deswegen geht mir das Herz auf bei spontanen Zeichen menschlicher Nähe im Großstadtgewühl.

Ganz intellektuellenprollhaft im BüroSchick mit der Bierflasche in der Hand unterwegs sein. An manchen Abenden geht das einfach nicht anders und ich war auch nicht allein. Gemeinsam prollt es sich leichter. Auf die Tram wartend werde ich angesprochen von 3 Metern Schal mit einer Frau drin, die mit den Worten burschikos und Kumpeltyp wunderbar beschrieben ist. Eine Mütze gehörte auch dazu, genauso wie eine gigantische Tasche und eine Bierflasche. Andere Marke allerdings. Ob ich Feuer hätte. Gegen Tausch einer Zigarette erkläre ich mich bereit zur temporären Überlassung meines Feuerzeuges. Und da kommt auch schon die Bahn. Manchmal funktioniert die Sache mit dem Zigarettentrick*. Ein hilfloses Lächeln, man steigt ein und freut sich, dass man tatsächlich an der gleichen Station auch wieder aussteigen will.
2 Reihen weiter schimpft eine junge Frau über ihren neuen Nicht-Freund und enthüllt allen Zuhörenden ihr Intimleben. Wir tauschen schmunzelnd Blicke und plötzlich grinst auch der Anzug hinter uns mit uns. Dieses Lächeln verbindet für den Augenblick zu einer kleinen Gemeinschaft. Beseelt und innerlich gewärmt verlassen wir die Bahn. Feuer flammt auf und für einen Moment erfülle ich alle Voraussetzungen, um Teil eines schönen Werbeposters sein. Die Sorte mit Unter- und Oberschicht in trauter Hingabe an Drogen wie Bier oder Zigaretten. Für diesen einen Moment nehme ich mir vor, ein besserer Mensch zu werden und fortan glücklich durch die Welt zu gehen.


* Siehe auch Murphys Gesetz: Zigarette anzünden und die Bahn kommt.

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