Mittwoch, 14. Mai 2008
Second Life for real oder Aktionskunst?
Noch 123 Tage lang liefert sich der Österreicher Gregor Jura der Willkühr des Internets aus. Ein Golem, ein Werkzeug will er sein. Jeder kann Vorschläge machen, was er tun soll. Über die Vorschläge wird abgestimmt. Die Mehrheit entscheidet über sein Handeln.

Ein Kunstprojekt soll es sein. Ich will gar nicht über den Kunstbegriff schwadronieren. Ob dieses Projekt aber tatsächlich Kunst oder nur PR ist, das wird sich in den nächsten 4 Monaten zeigen. Recht geschäftstüchtig ist er zumindest, der Künstler. Die Seite ist bunt und professionell und läd zum Spielen ein. Bezahlt mit Sicherheit vom Sponsor, der mit nervender Penetranz durchs Bild schwebt. Begleitet wird die Aktion von einem PR-Profi. Der Odem von Kalkül durchweht die Angelegenheit. Handelt es sich tatsächlich um ein Projekt mit gesellschaftskritischer Fragestellung oder sollen hier nur die schlechten Bilder des Künstlers vermarktet werden? "Schöpfungsspiel mit einem Menschen" soll es sein. Wieso nur hat das einen bitteren Beigeschmack? Nichts wird hier erschaffen. Gespielt wird schon. Ein bisschen brav, die ganze Aktion. Was soll gezeigt werden, wer wird aufgerüttelt? Das erinnert mich zu sehr an bizarre Aktionen wie von Wolfgang Flatz (der mit der Kuh, die von einem Kran aus auf dem Boden aufprallt) oder David Blaine (der sich eineinhalb Monate in einer Kunststoffkiste in London der Öffentlichkeit aussetzte).

Die Motivation, sich für so etwas zur Verfügung zu stellen, bleibt für mich nach wie vor im Dunkeln. Interessant wird es, wenn es an Aufgaben geht, die dem moralischen Empfinden des Golems widersprechen. Obwohl der ursprüngliche Golem nur der Moral folgte, die ihm unter die Zunge gelegt wurde. Wie sehr wird sich Jura selbst entblößen und wie weit wird er wohl gehen?

... link (2 Kommentare)   ... comment


Montag, 12. Mai 2008
Klischeeschubladenhopsen
Auf der Zugfahrt nach Hamburg. Die Nachbarin fragt mich, wo man am Bahnhof am Schnellsten Fahrkarten kaufen könnte. Hilfloses Bedauern meinerseits. Ich würde so aussehen, als wüsste ich das, sagt sie. Das gibt mir zu denken. Gut, da ist ein weißes Halstuch, das schwarz-weiße Oberteil und die Ledertasche. Liegt wohl an der Werbefuzzi-Brille. Ein bisschen stolz stelle ich fest, dass ich zur Großstadtpflanze geworden bin. Als ich nämlich noch ein kleines Blümchen war, wollte ich immer eine dieser Frauen in den schicken Kostümen werden. Die, die von Termin zu Termin rennen und furchtbar wichtig sind. Irgendwann fand ich heraus, was Emanzipation ist und dass die Frauen in den Kostümen meist die Sekretärinnen sind.

Ich verabschiedete mich von der Idee und wandte mich neuen Herausforderungen zu. Ungefähr ab der 8. Klasse setzte ich mir in den Kopf, Journalistin werden zu wollen. Im vollen Vertrauen auf meine schreiberischen Fähigkeiten kam ich gar nicht auf den Gedanken, praktische Schritte zu diesem Berufswunsch zu unternehmen. Irgendwann hatte ich dann plötzlich das Abitur in der Tasche, war weit entfernt davon, Journalistin zu sein und hatte immer noch keine Ahnung, was ich wirklich werden sollte. Als kommunikative Niete, die ich war, schrieb ich mich also für "Irgendwas mit Menschen und Kommunikation" ein. Und wo kann man das am Besten? Na sicher, im großen B.

Die Assimilation der Provinzmaus vollzog sich schnell. Und so gut, dass sie sich bald innerhalb von Sekunden in jede Großstadt integrierte und für eine Einheimische gehalten wurde.

Nun fürchte ich mich aber doch ein bisschen. Gemäß natürlicher Entwicklung des Städters wäre der nächste Schritt das Häuschen im grünen Vorort mit dem weißen Zaun davor. Nicht, dass man mich falsch versteht, ich mag Grün. Ich kann eine Kastanie von einer Platane unterscheiden und erkenne eine Butterblume, wenn ich eine sehe. Aber nur Grün? So ganz ohne Straßenlärm und hektisches Treiben?

Ich beabsichtige nun, der Evolution ein Schnippchen zu schlagen, die Stufe "Vorstädter" auszulassen und zu mutieren. Nur habe ich natürlich mal wieder keine Ahnung, was ich werden soll. Vorschläge, anyone?

... link (0 Kommentare)   ... comment