Dienstag, 6. Mai 2008
Körpergefühl
Ich laufe, um zu entspannen, nachzudenken und natürlich zum Wohl der Bikinifigur. Mein Laufweg ist höchst interessant. Ich biege um die Ecke und passiere das lokale Bordell. Manchmal steht die Tür offen und ich erhasche einen Blick auf das düstere Innere. So früh am Abend sitzen meist wenige Frauen und Männer an der Bar. Die Kunden müssen sich wohl erst warmtrinken oder kommen später. Weiter vorbei an der Eckkneipe mit dem Bier für 1 Euro und den gepolsterten Gartenstühlen. Kurzer Stopp an zwei Ampeln, einmal über die Spree und ich bin im Park. Angenehm kühl ist es hier, obwohl diverse Fliegtiere stören.

Ich laufe vorbei an jungen und mittelalten Kleingruppen auf bunten Decken und mit tragbaren Grills und nehme mir fest vor, das auch bald wieder zu tun. Ungewöhnlich viele Mitmenschen keuchen und schnaufen ebenfalls durch den Park. Plötzlich fühle ich mich als kleiner Teil einer Religion namens Fitness. Prinzipiell bin ich aber lieber Individuum. Also Musik lauter und alles hinter mir lassen. Die Hormonausschüttung kommt langsam in Gang und ich fühle mich schon entrückt. Ich spüre jede Zelle in meinem Körper und nehme kleine Funktionsstörungen wahr. Ich habe mir angewöhnt, darauf zu hören. Häufig sagt mein Unterbewusstsein mir über diesen Weg, dass ich wohl einiges ändern sollte.

Viele, viele schöne, junge Mensche sehe ich. Lachen und kleine Funken flittern in der Luft. Einige Pärchen vergessen gerade hemmungslos die Welt um sich herum. Ich laufe um die Biegung und sehe ihn. Eine endlose Schrecksekunde, mein Puls geht ins Unendliche, mir wird eiskalt und ich flehe diverse Götter an, jetzt nicht umzukippen. Stur blicke ich geradeaus und täusche vor, dass ich die frühere Affäre nicht gesehen hätte. Er spricht mich nicht an. Möglicherweise hat er mich auch gar nicht erkannt. Hoffe ich jedenfalls. Ich lege keinen größeren Wert darauf, ihn irgendwann wiederzusehen. Außerdem verbietet es mir mein Ego, in meinen Schlabber-Laufsachen gesehen worden zu sein. Auch wenn es nicht mehr zählt. In unglaublichem Tempo bin ich bald einen Kilometer weiter und beruhige mich.

Auf dem Rückweg sitzt er nicht mehr da und ich kann entspannt die verbliebenen Pärchen, die so gar nicht voneinander lassen wollen, beobachten und mich freuen. Und über mich selbst den Kopf schütteln und lächeln.

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Ich laufe immer nur in den frühen Morgenstunden ....

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Schwierig, sehr schwierig für notorische Langschläfer und Nachteulen wie meinereins.

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Das hab ich mir "drauftrainiert", das frühe Aufstehen!
es geht, nach einer Weile!

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