Dienstag, 23. Februar 2010
Nicht alles muss gehört werden
Neulich war ich auf einer Bloglesung. Ich weiß gar nicht, ob es meine erste war. Sollte ich schon mal bei einer anderen gewesen sein, habe ich sie wohl aus gutem Grund vergessen. Selbiges könnte auch mit dieser passieren, daher muss ich jetzt etwas dazu aufschreiben.

Früher dachte ich immer, wenn man als Blogger bei einer Lesung geladen ist, dann hat man es geschafft und gehört zu den Großen. Die eigenen Worte vor einem Publikum lesen, das einem an den Lippen hängt und nach Fortpflanungsübungen giert - das erschien mir als der Gipfel des Internetschaffens. Aber was soll ich sagen: Ich bin enttäuscht. Die meisten Lesenden lieferten nur unterdurchschnittliche Prosa und leider auch Lyrik. Alles immer schön kurz und auf die Pointe hin ausgerichtet. Das funktioniert bei humorvollen Geschichten noch halbwegs. Jegliche ernsthaften Ausflüge sind nur traurig. Und bitte, bitte keine Romane daraus machen.

Ich will nicht behaupten, alle Lesungen seien schlecht. Mich beschleicht aber der Eindruck, die Menschen da vorn sind meist in erster Linie Selbstdarsteller mit einem gewissen Hang zur Rampensau, die das "Ich will geliebt werden, also schreibe ich was ins Internet" in die Realität übertragen. Die richtig Guten jedenfalls lesen selten oder gar nicht. Wohl aus guten Grund.

Das Wort "Texte" möchte ich jetzt eine Weile erst mal nicht mehr hören. Es wird nämlich inzwischen inflationär für alles von einem Aphorismus bis zum Roman gebraucht. Die deutsche Literaturlandschaft hat eine Menge Begriffe für alle unterschiedlichen Textarten. Da darf man ruhig dazu stehen und die eigenen Ideen einsortieren. Etwas nur "Text" zu nennen, ist ganz schön allgemein und zeigt eher den Wunsch, vielleicht einen ganz großen, genialen Wurf landen zu wollen, aber nicht so richtig zu wissen, wie man ansetzen soll und erinnert mich an frische Germanistik-Studenten, die mit dem Studium angefangen haben, weil sie so gerne schreiben und im Literatur-Kurs immer eine 1 hatten.

Man soll nun nicht denken, ich hätte alles schlecht gefunden. Verrisse schreiben macht nur eben mehr Spaß. Die kleinen Perlen, die es gab, waren nur leider inmitten des ganzen Katzengoldes kaum zu erkennen.

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Erstmal schön, wieder etwas von dir zu lesen und dann auch noch so gut pointiert.

Ähnlich wie du, war ich der Vermutung erlegen, die Lesenden sein in irgendeiner Weise besonders. Dann geht man dahin und stellt völlig ernüchtert fest: Was da vorgetragen wurde kann ich mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser schreiben.
Dann bloggt man ein bisschen und stellt weiter fest: Es sind immer dieselben Internetschreiber, die da lesen. Bloggende Seilschaften? Heidideidiblogger, die sich gegenseitig den letzten Müll zu Tode kommentieren, weil man sich kennt. Clique par excellence, die formvollendet und in wunderschönen Sätzen verpackt sich gegenseitig hofiert. Nicht der Inhalt ist wichtig, der Schreiber ist es und damit ist das Internet auch nur ein Abbild des realen Lebens, welches ja gern von seinem virtuellen Pendant kritisiert wird.
Da bleib ich lieber bei Dir. ;-)

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Hach, danke für die Blumen. Ist ein bisschen wie nach Hause kommen, hier wieder was zu schreiben.

Ja, ich empfand die Veranstaltung wie eine Mischung aus Seblsthilfegruppe und Kindergarten. Naja, wieder was gelernt.

Ich freu mich übrigens, dass es dir gut geht.

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Ach was, Seilschaften. Das sind bequeme Ausreden. Kneipe suchen, Schild raushängen, selber lesen.

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Ich muss da kurz widersprechen. Es geht ja nicht darum, dass man neidisch wäre. Die wenigen Lesungen, die ich besucht habe, waren dankenswerterweise alle schön. Es gab und gibt aber mittlerweile eine gewisse Überdosis (was es damals, als ich zugegen war glücklicherweise nicht gab), bei der alles an ein Mikrofon gezerrt wird, was nur geht. Nicht böse gemeint, aber wenn ich über irgendwelche Lesungsankündigungen im Web stolpere (und schon das ist ein Zeichen: ich stolpere darüber. Früher war das was Besonderes und das zu Recht), kenne ich die wenigsten der Lesenden. Warum ich die nicht kenne liegt wahrscheinlich daran, dass sie nicht interessant genug sind. Und dann müssen die auch noch unbedingt vor ein Mikrofon.

Das alles hat aber nichts mit Neid zu tun. Ich will gar nicht vorlesen, was ich da vor mich hintippe. Andererseits wäre ich manchmal ganz froh, wenn es andere auch so sähen.

Und wenn ich am Wochenende in die Spelunke gehe, mache ich ein Schild raus: Heute keine Lesung. Als ob dort je mehr als die Bildzeitung gelesen wurde.

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Mir geht es genauso. Ich habe keinerlei Ambitionen, irgendjemandem etwas vorzulesen.
Das hängt natürlich davon ab, mit welcher Absicht man mit dem Bloggen angefangen hat und welche Ziele man damit verfolgt. Hätte ich jemals lesen wollen, hätte ich sicher anders geschrieben, viel unpersönlicher.

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Ich habe auch nicht mit der Ambition angefangen zu bloggen, irgendwann draus vorzulesen. Irgendwann hat mich mal jemand gefragt - und mir zumindest hat es Spaß gemacht. Man unterhält ein bißchen die Leute, die Leute unterhalten sich, man trinkt anschließend ein Bier zusammen oder zwei. Ich finde das nicht so schlimm, ich zerre ja keinen ins Lokal. (Außerdem dachte ich, es gäbe kaum noch Lesungen?!?)

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